Betreff
Neubau eines Einfamilienwohnhauses und einer Ferienwohnanlage (4 FW)
Kaltensondheimer Straße 115; Fl.Nr. 3028; Fl.Nr. 3015
"Weingut Eherieder Mühle"
hier: Vorhaben im Außenbereich gem. § 35 BauGB
Vorlage
2021/145
Art
Sitzungsvorlage (Beschluss)
  1. Ausgangslage

Dem Stadtbauamt liegt ein Bauantrag über den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage und dem Bau von 4 Ferienwohnungen vom 19.06.2020 und eine Ergänzung vom 18.05.2021 vor (Anlage 2).

Die Ergänzung vom 18.05.2021 zeigt eine präzisierte/überarbeitete städtebauliche Anordnung der Gebäude (Anlage 1) und ist Grundlage der nachfolgenden Betrachtung.

 

Da es sich hier um ein Außenbereichsvorhaben handelt, ist das Vorhaben gem. Geschäftsordnung der Stadt Kitzingen dem Bau- und Umweltausschuss zur Entscheidung vorzulegen.

 

Die Darstellung in Anlage 1 zeigt zwei weitere geplante Vorhaben (Vinothek und eine neue Kelterhalle). Diese Vorhaben sind nicht Gegenstand des Bauantrages, sollten jedoch bei einer Entscheidungsfindung mitberücksichtigt werden.

 

Die bestehende Hofstelle ist auf dem Grundstück Fl. Nr. 3012 errichtet. Die Bauvorhaben sind für die Grundstücke Fl. Nrn. 3028 und 3015 geplant. Diese Grundstücke sind nicht nur durch den Eherieder Mühlbach und einen Grünzug mit Baumbestand getrennt, sondern auch optisch setzt sich das Grundstück Fl. Nr. 3028 als „freie Fläche“ von der Hofstelle ab.

 

Bei dem Betrieb handelt es sich um einen Vollbetrieb. Der Betrieb wird bereits in der vierten Generation geführt. Der Betrieb beinhaltet die Bewirtschaftung von Weinbergen (derzeit ca. 13 ha, Erweiterung auf 15 ha geplant), die Herstellung von Wein, Schnaps, Federweißer und Likören. Es wird eine Abfindungsbrennerei betrieben, eine Gastronomie mit Bewirtung von Speisen und (den selbsthergestellten) Getränken sowie ein Angebot von Weinproben.

 

Weiter sollen Fremdenzimmer (vier Ferienwohnungen) als Zuerwerb angeboten

werden.

 

Der Betrieb wird das ganze Jahr unter der Mitarbeit folgender Personen geführt:

Herr André Haßold als Betriebsleiter, seine Ehegattin als Wirtschaftsfachwirtin, drei ständige Arbeitnehmer, zwei Teilzeitkräfte, vier saisonale Hilfskräfte, insgesamt zu bis zu 13 Personen.

 

  1. Planungsrechtliche Einordung

Derzeit befinden sich die betreffende Flurstücke Nr. 3028 und Nr. 3015 im Außenbereich gem. § 35 BauGB.

 

Im rechtskräftigen Flächennutzungsplan (Stand: 41. Änderung, 12/2015) ist der betroffene Bereich als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt.

 

Grundsätzliche Ausführungen nach BauGB

Eine Bebauung im Außenbereich ist gemäß § 35 Abs. 1 BauGB nur dann zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und u. a. wenn das Bauvorhaben einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient (§35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB).

 

Nach § 35 Abs. 2 BauGB können im Einzelfall sonstige Vorhaben zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentlicher Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

 

Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben u.a. den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widerspricht.

 

Bei der Beurteilung über die Genehmigungsfähigkeit ist zu berücksichtigen, ob ein vernünftiger Landwirt, der die Entscheidung des Gesetzgebers, dass im Außenbereich grundsätzlich nicht gebaut werden soll, so weit wie möglich respektiert, das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb erstellen würde. Das Vorhaben muss danach im konkreten Fall üblich und angemessen und auch äußerlich erkennbar durch die Zuordnung zu dem Betrieb geprägt sein. Es darf zudem nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen und ist in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen (§ 35 Abs. 5 Satz 1 BauGB).

 

Nach diesen Maßstäben kann eine bauplanungsrechtliche Privilegierung im Allgemeinen bei der Errichtung oder Erweiterung von Wirtschaftsgebäuden (z. B. Stallung, Scheune) oder sonstigen Betriebsanlagen (z. B. Silos) eher angenommen werden als bei der Errichtung oder dem Anbau neuer betrieblicher Wohneinheiten.

 

Das konkrete Bauvorhaben

Das beantragte Vorhaben liegt planungsrechtlich im Außenbereich gemäß § 35 BauGB und soll auf den benachbarten Grundstücken zur bestehenden Hofstelle realisiert werden.

Hier ist nun zu entscheiden, ob vor dem Hintergrund der betriebswirtschaftlichen Situation und dem Entwicklungskonzept (siehe auch Anlage 3 – nicht-öffentlich), der geplanten Nutzung (vier Ferienwohnungen) und der räumlichen Zuordnung die entsprechenden Voraussetzungen für eine Privilegierung und Genehmigung vorliegen.

 

Aus der Sicht des Bauherrn ist das Neubauvorhaben „Wohnung samt Ferienwohnungen“ plausibel, weil es:

 

-           das Wohnen der Familie des Betriebsleiters nahe am Betrieb ermöglicht

-           der Betriebserweiterung durch die Vinothek und der Kelterhalle vorgreift

-           die Einnahmequelle Ferienwohnungen generiert und dazu beiträgt die Existenz des ganzen Betriebs zu sichern

-           für die geplante Fläche deswegen vorzugswürdig ist, weil auf der anderen Bachseite an der Hofstelle die Flächen zum Parken und zum Betrieb (Ausschank, Wohnmobilstellplätze und Bewirtschaftung Weingut) benötigt werden und auch hier Reserven für vorgesehene Betriebsvergrößerungen vorzuhalten sind.

 

Das Bauamt folgt der Argumentation des Bauherrn. Dabei wird die betriebswirtschaftliche Situation und deren Entwicklungsziel (Erweiterungsinteresse) berücksichtigt. Insbesondere das Thema Betriebserweiterung rechtfertigt es, weitere Flächen im Außenbereich zu bebauen.

 

Aus der Betriebsschilderung des Bauherrn ergibt sich, dass es hier nicht allein um die Bewirtschaftung von Weinbergen durch den Betriebsleiter und seine Familie geht, sondern zum einen um die Betreuung der ausländischen dauerhaften und saisonalen Mitarbeiter. Zum anderen zeigt sich aber vor allem, dass über 55 % der selbst erzeugten Produkte direkt am Hof verkauft oder ausgeschenkt werden. Dabei findet keine regelmäßige Öffnung eines Ladens statt, der die Anwesenheit planbar machen würde, stattdessen werden die Produkte sowie Dienstleistungen über den ganzen Tag angeboten, insbesondere auch am Wochenende.

 

Die Dienstleistungen (Weinprobe, Feste, Ausschank, Verkauf, Wohnmobilstellplatz) finden zudem oft bis in die späten Abendstunden statt, ebenso wie eigentliche Tätigkeit bei der Pflege der Weinstöcke, welche zudem sehr früh beginnt.

 

Nach unserer Einschätzung erfordert eine solche Tätigkeit unabdingbar die Anwesenheit des Betriebsleiters und die Realisierung einer Wohnung.

 

Dabei ist zu prüfen, ob der vorgesehene Wohnraum angemessen mit zumutbaren und wirtschaftlichen Umbaumaßnahmen in bestehenden Gebäuden oder durch Anbau an diese geschaffen werden kann. Die Situation vor Ort zeigt, dass ein Anbau an die vorhandenen Gebäude nicht sinnvoll umsetzbar ist, weil zum einen die Betriebsfläche für Betriebserweiterungen benötigt wird, zum anderen zum Betrieb an sich.

Zudem soll der Betrieb generell auf die andere Seite des Baches erweitert werden (Vinothek, Ferienwohnungen). Der räumlich-funktionale Zusammenhang bleibt bestehen, weil der Betrieb im Rahmen des Wohnhausneubaus um die Fremdenzimmer und die spätere Vinothek erweitert wird.

 

Hier wird auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg, Aktenzeichen RN 6 K 15.1444 hingewiesen:

„Dabei geht die Rechtsprechung bei landwirtschaftlichen Betrieben davon aus, dass herkömmlich der Grundsatz der Einheit von Wohnen und Arbeitsplatz gilt, der bewirkt, dass ein Wohngebäude für den Betriebsinhaber dem Betrieb dient und daher regelmäßig zulässig ist (BayVGH, U. v. 25.9.1995 – 14 B 94.3676 – juris, Rn. 30).“

 

Ein Beherbergungsbetrieb (die Errichtung oder Einbau von Gästezimmern oder Ferienwohnungen) ist an sich eine landwirtschaftsfremde - gewerbliche - Nutzung. Diese kann im Rahmen der mitgezogenen Nutzung zwar unter die Privilegierung des § 35 BauGB fallen, ist im Regelfall allerdings durch Umnutzung bestehender Gebäude als mitgezogene Nutzung zulässig.

 

„Für die Teilnahme an der Privilegierung ist Voraussetzung, dass die betreffende Betätigung – äußerlich erkennbar – dem land-, forstwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrieb zu- und untergeordnet ist und ihm zu seiner Erhaltung und Existenzsicherung eine zusätzliche Einnahmequelle schaffen soll. Gegenüber dem vorhandenen Betrieb muss es sich um eine bodenrechtliche Nebensache handeln.“

 

Nach der vom Bauherrn vorgelegte Betriebsbeschreibung sollen die neuen Fremdenzimmer für die Existenzsicherung eine zusätzliche Einnahmequelle schaffen. Es handelt sich um eine bodenrechtliche Nebensache, da die Fläche für die Fremdenzimmer weitaus geringer ist, als die bewirtschaftete Hof- und Weinanbaufläche. Eine Sicherung durch Auflage ist möglich, ebenso eine Dienstbarkeit. Die räumliche Zuordnung zur späteren Vinothek ist gegeben.

 

 

  1. Fazit

Das Vorhaben entsprechend des Bauantrages vom 19.06.2020 bzw. der Ergänzung vom 18.05.2021 ist nach § 35 Abs. 1 BauGB genehmigungsfähig. Vor dem Hintergrund des Bestandes und, der geplanten Betriebserweiterung sind die Tatbestände einer Privilegierung für das Vorhaben erfüllt. Die Erschließung ist durch die städtischen Grundstücke 3029 und 3014 sowie durch das städtische Grundstück 3027 gesichert.

 

Im Rahmen der Bauantragsbearbeitung sind die Hinweise und Auflagen der Naturschutzbehörde, des Wasserwirtschaftsamtes und des Bauernverbandes zu berücksichtigen und vom Bauherrn umzusetzen.

 

Die Zuordnung der Ferienwohnungen zum Betrieb ist dauerhaft durch Baulast oder Auflage in der Baugenehmigung zu sichern.

 

Anlagen

1.    Vom Sachvortrag wird Kenntnis genommen.

 

2.    Der Bau- und Umweltausschuss stimmt der Bebauung der Flurstücke Nr. 3028 und 3015 mit einem Wohnhaus und einer Ferienwohnanlage (4 FW), entsprechend Anlage 1 im Außenbereich gem. § 35 Abs. 1 BauGB zu.